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Frederick Taylor:
Inflation. Der Untergang des Geldes in der Weimarer Republik und die Geburt eines deutschen Traumas.

Siedler-Verlag, Hamburg 2013, 400 Seiten, 24,99 Euro, ISBN 978-3-8275-0011-3
2010 bezahlte die Bundesrepublik die letzte Rate der nach dem Ersten Weltkrieg verlangten und im Londoner Schuldenabkommen 1953 letztverbindlich definierten Reparationen. Im gleichen Jahr wurde das Ausmaß der griechischen Staatsschuldenkrise erstmals von der griechischen Regierung selbst eingestanden und vertiefte die seit 2007 erkennbare Finanz- und Wirtschaftskrise, in die auch die Mehrzahl der europäischen Staaten geraten waren.

Für den Briten Frederick Taylor war es Anlass, mit einem Werk zur Inflation in der Weimarer Republik ein historisches Fallbeispiel anzubieten, an dem sich zeige, was passiert, wenn das Vertrauen in den Wert des Geldes verloren geht.

Dabei greift T. zurück bis in die Entstehung des Ersten Weltkrieges. Schon früh war den beteiligten Kriegsmächten klar, dass der nicht vorgesehene lange Verlauf des Krieges zu finanziellen Anstrengungen führen musste, die nur über den Weg der Kreditnahme zu stemmen waren. Ebenso waren sich die Beteiligten einig, die Begleichung dieser Schulden auf die Zeit nach Kriegsende zu verschieben und dem oder den Verlierer(n) als Rechnung zu präsentieren. Unterschiedlich waren die Wege der Finanzierung. Das Deutsche Reich konnte über die Kriegsanleihen im eigenen Land den Großteil der benötigten Kredite finanzieren, Großbritannien z. B. nahm erhebliche Mittel bei US-amerikanischen Banken auf.

Bereits während des Krieges begann in Folge der Abkoppelung der Mark vom Goldstandard die Inflation und sie sollte Deutschland bis zum Höhepunkt 1923 begleiten. Diese Entwicklung hatte mehrere Gründe. Mit Ausnahme der Steuerreform Erzbergers 1920 versäumte es Deutschland, durch entsprechende Einnahmesteigerungen die Habenseite des Staatshaushaltes zu verbessern, gleichzeitig stiegen die Belastung aus alltäglichen Ausgaben (»Die Gehälter werden weiterbezahlt«), Kriegsfolgekosten, insbesondere im Sozialbereich, sowie den geforderten Reparationsleistungen kontinuierlich an. Dabei waren weder Staatsschuldenkrise noch Inflation rein deutsche Probleme, so erhöhte z. B. 1920 die Bank of England gegen die inflationäre Entwicklung im Königreich die Zinssätze, was zu einer erheblichen Zunahme der Arbeitslosigkeit führte. Dagegen dominierte in der deutschen Politik eher die Position eines »sozialen Friedens um jeden Preis«, die erreichten Lohnzuwächse der Arbeiterschaft führten zu entsprechend höheren Preisen bei den Produkten der Unternehmen. Gegen eine restriktivere Wirtschaftspolitik sprach sich noch 1921 Walter Rathenau aus (»Es ist nicht richtig, wenn man sage, die Notenpresse mache uns kaputt.«).

Im Frühjahr 1920 hatte sich der Wert der Mark gegenüber dem Dollar stabilisiert, die jetzt in Deutschland verfolgte Politik führte aber in schnellen Schüben in die Hyperinflation, die im Juli 1922 erreicht war. Mit dem von der Reichsregierung betriebenen Ruhrkampf verlor die Geldentwertung jedes Maß. T. stellt diesen Prozess in Text und tabellarischer Übersicht sehr detailliert dar. Dabei zeigt er den Außenwert der Mark zum Dollar und die wirtschaftlichen, sozialen und politischen Folgen in Deutschland auf.

Diese Beschreibungen sind an sich nicht neu, dennoch verdient T.s Darstellung Beachtung. Zum einen seziert er sehr genau, wen diese Inflation traf (Bildungsbürgertum, Mittelschicht) und wen nicht (Arbeiter, Bauern, Besitzer von Sachwerten, Schuldner). Folglich entstand so T. das Trauma der Inflation auch besonders in der akademisch gebildeten deutschen Mittelschicht und verstärkte sich mit dem zweiten Zusammenbruch einer deutschen Währung am Ende des Zweiten Weltkrieges. Die Auswirkungen dieses Traumas reichen seiner Ansicht bis in die Gegenwart und beeinflussen auch die aktuelle deutsche Politik. Zum anderen besticht die Darstellung in ihrer erzählerischen Qualität, der man dann manche anekdotenhafte Länge nachsieht. Zahlreiche eingeschobene Quellentexte veranschaulichen die Aussagen. Immer wieder werden auch biografische Einzelheiten als Erklärungsversuch bemüht. Über Auswahl und Kommentierung ließe sich natürlich hier und da auch streiten.

Allerdings hinterlässt das Werk auch Fragen. Es verbleibt im Bereich der erzählenden Geschichte, eine politisch-ökonomische Analyse des Themenkreises Staatsschulden, Inflation und Wirtschaftskrise wird nicht angestrebt. Diese wird nicht vermisst, solange der Autor im Bereich des historischen Gegenstandes verbleibt. Sobald er aktuelle Überlegungen anstellt, wird allerdings zu hinterfragen sein, ob die von T. erkannten Verhaltensmuster der Vergangenheit ungebrochen auf die heutige Situation angewandt werden können. Sein auch in Interviews formulierter Rat, die Deutschen mögen doch aus der Geschichte die richtige Lehre ziehen und diesmal das Geld ausgeben, statt es auf Sparkonten mit immer geringerem Realwert zu belassen, ist hier nur eine Facette des gegenwärtigen Krisenszenarios besonders im Euro-Raum. Die Erkenntnis, dass eine Politik, die durch immer neue Kreditnahmen die Kosten der Wirtschaftspolitik in die Zukunft verlagert und auf Dauer die staatliche Handlungsfähigkeit durch zunehmende Überschuldung immer weiter begrenzt, ist eine andere Seite dieser Problematik (vgl. Plumpe, gfh 4/2012). Die zunehmende Internationalisierung der Handlungs- und Entscheidungsebenen (z. B. EU, IWF usw.) und die Globalisierung des Wirtschafts- und Finanzgeschehens in der Gegenwart (»Globalisierung frisst Inflation.« HWWI 2012) zeigen zudem ebenfalls Grenzen einer einfachen Übertragbarkeit historischer Beispiele auf.

Erschienen in der gfh 8/1 (2015).
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