Kathrin & Jens Baumeister: Karl Marx zwischen Pfandhaus & Champagner
Rezension zu: Kathrin & Jens Baumeister: Karl Marx zwischen Pfandhaus &
Champagner. Eigenverlag, 224 S., br., 14,90 € (ISBN 978-3-00-059823-4)
2018 war bekanntlich Marx-Jahr, das besonders in seiner Geburtsstadt Trier in
Erinnerung an das Leben des Philosophen und Politikers, der sich als Sozialist
mit kommunistischen Idealen verstand, mit einer Landesausstellung bedacht wurde.
Zudem erhielt Trier eine überlebensgroße Marx-Statue aus China, die dem Vater
des wissenschaftlicher Sozialismus galt, dessen Anschauungen zum Grundbestand
einer marxistischen Lehre wurden, über die er sich selbst zu Lebzeiten abfällig
geäußert hatte, eindeutig etwa: „Alles, was ich weiß, ist, dass ich kein Marxist
bin!“#1
Folglich gab es auch Einiges an Buchtiteln zu Marx, wobei das hier
vorzustellende Buch wegen der Originalität von Titel und Thema herausragt: „Karl
Marx zwischen Pfandhaus & Champagner“, als Zitat entlehnt einer Bemerkung von
Marx´ Hausfreund Edgar Bauer, der sich später als Agent der dänischen Polizei
entpuppte, beschreibt das Leben von Karl Marx zwischen häufigen persönlichen und
familiären Notlagen, die meist mit der Abgabe von Besitztiteln in Pfandhäusern
endeten, und Phasen gutbürgerlichen Lebens, in denen Champagner als
Lebenselixier nicht fehlen durfte.
Nun ist die das Leben von Marx immer wieder bestimmende Geldnot eine bekannte
historische Tatsache und wird mit dem Zitat Bertold Brechts („Marx´
Beschaffungsoperationen standen an Energie denen eines kleinen, immerfort
bankrotten Fürstentums nicht nach.“) bereits thematisiert, dennoch bietet das
überwiegend einem biographischen Ansatz folgende Buch immer wieder kritische
Durchblicke gegenüber dem großen Philosophen, der neben sich keine andere
Meinung duldete, wie nicht nur seine von Engels erst lange nach seinem Tod
veröffentlichte Kritik am Gothaer Programm von 1875 zeigte.
Mit Amüsement kann nachgelesen werden, wie Marx, der die Abschaffung des
Erbrechtes forderte, seine Mutter um eine vorzeitige Herausgabe seines
väterlichen Erbes anging, ganz zu schweigen von der Erbschaft seines Freundes
Wilhelm Wolff, Lupus genannt, der als sparsamer Privatlehrer Marx 825 Pfund
hinterließ, die dieser im Jahr 1864 sehr gut gebrauchen konnte. Dabei war er,
nach dem Tod seiner Mutter Henriette ein Jahr zuvor, endlich an das verbliebene
väterliche Erbe gelangt war. Für die zum Antritt des Erbes notwendige Reise nach
Trier musste Marx allerdings wieder einmal seinen Freund Friedrich Engels
anpumpen. Die Erbschaft bestand aber „nur“ noch aus umgerechnet 580 Pfund, da
Marx in den Jahren zuvor schon zu viele Geldtitel eingefordert hatte. Mit
Süffisanz vermerken die Autoren, dass Marx mit seinem zusätzlich erhaltenen
Anteil am Familiensilber immerhin wieder Futter für kommende Pfandhausbesuche
erhalten hatte.
Henriette Marx hatte genügend Gründe, ihrem Sohn Karl gegenüber mit
Geldzuwendungen Vorsicht walten zu lassen. Als Marx 1838 das Geld zum Studium
ausging, half ihm zunächst Edgar von Westphalen, der Bruder seiner Verlobten
Jenny, der eine Wohnung in einem neu gebauten Haus mietete, die Studenten billig
überlassen wurde, um sie „trocken zu wohnen“. Karl Marx forderte aber von der
Mutter zur gleichen Zeit für seine noch nicht verfasste Dissertation 160 Taler
Promotionsgebühr, wie sie an der Berliner Universität üblich war. Das Geld wurde
nach Erhalt anderweitig verbraucht, und schließlich betrieb Marx eine
Fernpromotion an der Universität Jena, deren Gebühr mit 67 Talern geradezu ein
„Schnäppchen“ darstellte.
Es würde zu weit führen, auf alle Finessen der Marxschen
Geldbeschaffungsmaßnahmen einzugehen, die im Buch detailreich und mit leichter
Feder verfasst nachzulesen sind. Natürlich gehen die Autoren auch auf Karls und
Jennys Wege und Umwege bis zur endgültigen Eheschließung ein, sie beschreiben
Karls eher erfolglose Versuche, als Experte des Kapitals sich durch
Spekulationen Geld zu beschaffen, klären auf, warum diesem Marx bei der Suche
nach einer Beamtenstelle die eigenen Überzeugungen in die Quere kamen. Auch
verdeutlichen sie die Rolle von Friedrich Engels wenig sozialistischem
Mäzenatentum, das Marx erst eine stabile finanzielle Lebensgrundlage gab.
Das Buch der beiden Kunsthistoriker Kathrin und Jens Baumeister darf durchaus
als Geheimtipp im reichhaltigen Angebot zum Marx-Jahr angesehen werden, auch
wenn es zunächst „nur“ die Fortführung eines vorhergehenden Titels der beiden
ist: „Wie der Wein Karl Marx zum Kommunisten machte - Ein Philosoph als Streiter
für die Moselwinzer“ (ein Jahr zuvor erschienen).#2
Es stellt den bürgerlichen Marx , den Menschen des 19. Jahrhunderts ins
Blickfeld, der auf die Frage, wer den im zukünftigen Staat die Stiefel putzen
sollte, mit einem trotzigen „Ich nicht“ antwortete und dem Zusatz: „Diese Zeiten
werden kommen, aber wir müssen dann fort sein.“
Das Buch ist eine weitgehende Eigenproduktion, bei der Walter Baumeister, der
Vater der Autorin, versuchte, die leichte Feder des Schreibflusses mit
Illustrationen von ebenso leichter Hand zu verdeutlichen. Ob es da auch der
champagnerfarbenen Umschlaggestaltung bedurfte, sei dahingestellt. Konsequent im
Sinne des Titels war es allemal und als deutlicher Kontrast zum rotfarbenen
Umschlag des Vorgängerbandes vermutlich gewollt.
Otmar Nieß, Trier
1) Siehe:
https://de.wikipedia.org/wiki/Marxismus
2) Siehe:
http://www.weinkarlmarx.de
Abdruck der Rezension in: gfh 1/2021
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